Integration:Kärnten

Ratgeber

Sprechen und Schreiben über Behinderung

„An den Rollstuhl gefesselt“ ist vielleicht der am häufigsten verwendete unsinnige Ausdruck im Zusammenhang mit Behinderung. Es gibt aber weitere - nicht so eindeutig - falsche Benennungen. Die Grazer Beratungsstelle „Bunte Rampe“ hat deshalb einen kleinen Ratgeber für eine nicht diskriminierende Sprache zusammengestellt, der als Hilfestellung dienen soll.

Empfehlung:

Allgemein:

„behinderte Menschen“
„Menschen mit Behinderung“

Diese Bezeichnungen sind im Deutschen politisch korrekt. Die englischen Entsprechungen werden in England („disabled people“) und in den USA („people with disabilities“) unterschiedlich bevorzugt. „Behinderte Menschen“ weist darauf hin, dass die Behinderung nicht etwas ist, das zur Person gehört, sondern der Person durch die ungünstigen sozialen Umstände widerfährt. Dies drückt sich im Slogan: „behindert ist man nicht, sondern man wird behindert“ oder durch das Wortspiel „gehindert“ aus. Diese Verwendung entspricht somit dem sozialen Modell von Behinderung - nicht einem medizinischen!

„Menschen mit Behinderung“ will sagen, dass der Mensch zuerst kommt und seine Beeinträchtigung nur eines der vielen Persönlichkeitsmerkmale ist. Dies wird auch durch die Bezeichnung „people first“ für die politische Interessensvertretung der Menschen mit Lernschwierigkeiten ausgedrückt.

Im Speziellen:

„Menschen mit einer (bestimmten) Beeinträchtigung“

Dieser Ausdruck soll dann verwendet werden, wenn die Funktionseinschränkung thematisiert wird, z.B. wenn es um Mobilitätsbeeinträchtigungen, Sehbeeinträchtigungen, psychische Beeinträchtigungen, etc. geht.

Absolute „Dont's“:

Dass man nicht mehr „Krüppel“, „blödsinnig“ oder „Idiot“ sagt, dürfte sich herumgesprochen haben, aber auch andere Bezeichnungen sind beleidigend für viele betroffene Menschen!

Unbedingt zu vermeiden: Alternative:
an den Rollstuhl gefesselt (oder gebunden) ist Rollstuhlfahrer, benützt einen Rollstuhl
mongoloid hat das Down-Syndrom, hat Trisomie 21
taubstumm ist gehörlos
Zwerg, Liliputaner ist kleinwüchsig
Spastiker hat Cerebralparese
Wasserkopf hat einen Hydrocephalus
debil, schwachsinnig Menschen mit Lernschwierigkeiten, ist kognitiv beeinträchtigt

Weitere problematische Benennungen:

„Patient“

Behinderte Menschen sind keinesfalls immer passiv, leidend und werden behandelt, was aber dieses Wort bedeutet. Patient sind sie nur, wenn sie Grippe haben, im Krankenhaus liegen oder sich einer Therapie unterziehen, wobei dann wieder zu wünschen ist, dass sie mündige Patienten sein können.

„gesund“ als Gegensatz zu „behindert“

Viele behindert Menschen sind gesund und fühlen sich auch so. Natürlich werden sich manche deren Beeinträchtigung von einer chronischen Krankheit herrührt - auch „krank“ fühlen. Dies trifft aber nur auf einige zu! Es „leidet“ auch selten jemand an seiner Behinderung, sondern an Lebensumständen oder den Reaktionen seiner Mitmenschen.

„normal“ als Gegensatz zu „behindert“

Was ist schon normal? „Es ist normal, verschieden zu sein“ hat schon ein deutscher Bundespräsident - Richard von Weiszäcker - gesagt.

„Die Behinderten“

Hauptwörtlich gebraucht, wird hier eine homogene Gruppe konstruiert, die in Wirklichkeit ganz heterogen ist. Auch wird hier versteckt, dass es um Menschen geht. Die Behinderung ist lediglich die soziale Klammer, die sie verbindet!
Diese Verschiedenheit untereinander fordert Gleichstellung - was nicht „Gleichmacherei“ bedeutet - sondern „gleiche Menschenrechte bei Akzeptanz von Unterschiedlichkeit“. Im Englischen drückt sich das mit dem Slogan „equal - but different“ sehr gut aus.

„Pflegefall“

Dieser Ausdruck spricht in seiner generalisierenden und stigmatisierenden - auf Defizite konzentrierten - Sichtweise betroffenen Menschen Lebensperspektiven ab und beraubt sie ihrer Persönlichkeit.
Alternativen:
„jemand benötigt Assistenz, Begleitung, Unterstützung - auch in höherem Ausmaß“

„Handicap“

Englische Fachausdrücke sind beliebt. Allerdings wird der Ausdruck „handicap“ in England als beleidigend erlebt. Er erinnert an „cap in the hand“, also an Betteln und wurde auch ausschließlich von den Charity Organisationen verwendet und nicht von Organisationen, die ein gleichberechtigtes Bild behinderter Menschen vermitteln wollen. Der Ausdruck wurde inzwischen auch von der WHO aus ihrer Definition von Behinderung entfernt.
Deutsche Ableitungen wie „gehandicapt“ sind überdies unschön!

„Besondere Bedürfnisse“

Ähnlich ist es mit diesem Ausdruck, er kommt vom englischen „special needs“, das dort vor etwa 25 Jahren modern war. Abgelehnt wird er nun, weil er bedeutet, dass es eine Gruppe der „Anderen“ gibt, die andere Bedürfnisse haben.
Behinderte Menschen sind kein besonderer Menschenschlag und haben auch keine besonderen Bedürfnisse. Ihre Wünsche und Bedürfnisse unterscheiden sich von Person zu Person, sind aber auch ähnlich wie die der jeweiligen nichtbehinderten Altersgruppe oder sozialen und ethnischen Zugehörigkeit. Natürlich hat ein Teil der Bedürfnisse auch mit der Art und Schwere der jeweiligen Beeinträchtigung zu tun.
Im Zusammenhang mit barrierefreiem Design - woher dieser Ausdruck kommt - spricht man nun eher vom „universal design“, also einer Planung, die möglichst vielen individuellen Bedürfnissen entspricht.
Anforderungen an das Design und an die gebaute Umwelt ergeben sich im Lebenszyklus (z.B. Schwellenlosigkeit im Kinderwagenalter und im höheren Alter, größere Schrift für Schulanfänger und jenseits der Lebensmitte, einfache Sprache für Lesenanfänger und für fremsprachige Gäste) und nicht nur für als „behindert“ definierte Menschen.

Unseres Erachtens wird politische Korrektheit übertrieben, wenn man das Wort „behindert“ unbedingt zu vermeiden sucht z.B. durch „geistig-, körperlich herausgefordert“ in Anlehung an das amerikanische „challenged“!

Selbstverständlich soll die Behinderung eines Menschen nur dann erwähnt werden, wenn es im Zusammenhang mit dem Inhalt des Erzählten relevant ist - und nicht zur Etikettierung einer Person.
MOSAIK - Die Bunte Rampe © 16.7.2003